Veröffentlichungsdatum: 27. November 2025
[00:00] Bastian Elsner:
Hallo und herzlich Willkommen zu einer weiteren Ausgabe von "Menschen, Lebensräume und Technik", dein Podcast von Elsener Elektronik. Heute gibt es etwas Besonderes, denn wir sind heute nämlich nicht in Ostelsheim, sondern in Berlin.
Genauer gesagt im MIO-Haus und hier treffe ich meinen heutigen Gast, Michael Schidlack. Michael ist Principal Researcher der Forschungsvereinigung Elektrotechnik beim ZVEI und Konsortiarleiter im Leitprojekt SmartLivingNEXT. Und er ist jemand, der seit Jahren daran arbeitet, dass Gebäude in Zukunft nicht nur smart aussehen, sondern auch wirklich vernetzt und zukunftsfähig sind.
Heute soll es um digitale Ökosysteme gehen. Michael, herzlich Willkommen im Podcast. Vielleicht starten wir einfach mal von vorne.
Warum braucht es deiner Meinung nach Projekte wie SmartLivingNEXT?
Warum Datenräume die Zukunft des Smart Buildings sind
[00:57] Michael Schidlack:
Ja, das ist eine sehr lange Geschichte. Es gibt aber verschiedene Gründe, warum wir so etwas brauchen oder wir denken, dass wir so etwas brauchen, was wir jetzt gerade machen. Der erste Grund und der Hauptgrund ist, es geht einfach um die Zukunft unserer Wirtschaft in Deutschland.
Es wird immer klarer, dass Wertschöpfung heute nicht nur durch Herstellung von Produkten und Hardware erzielt wird, sondern vor allen Dingen auch durch Nutzung von Daten. Daten selbst bieten eine wichtige Wertschöpfungsgrundlage. Das kann man sehen an all denen, die heute globale Ökosysteme, wie du ja gerade gesagt hast, ausrollen.
Ich denke nur an Uber. Das Geld wird bei Uber verdient und nicht mehr beim Taxifahrer. Also es verschiebt die ganze Wertschöpfungskette massiv.
Und wir mussten einfach eine Antwort finden auf diese Herausforderung. Was passiert, wenn in Deutschland sich Wertschöpfung zunehmend von der Produktion von Gütern in diesen digitalen Raum verlagert? Das ist sehr wahrscheinlich und alle Prognosen deuten darauf hin, dass es auch passiert.
Und unsere Entwicklung, SmartLivingNEXT, also die Schaffung eines digitalen Ökosystems rund um das smarte Wohnen, ist die Antwort auf diese Herausforderung.
[02:08] Bastian Elsner:
Jetzt haben wir ja im Vorgespräch schon festgestellt, dass da extrem viel Vorarbeit schon passiert ist. Das ist ja nicht das erste Projekt, das in diese Kerbe einschlagen will und da wirklich was Neues schaffen. Das ist ja, wenn ich das richtig im Kopf habe, schon das dritte Projekt im Prinzip in der Reihe.
Kannst du uns da so ein bisschen mitnehmen, wie das angefangen hat, wie die Projekte auch vielleicht miteinander zusammenhängen?
Wie aus Forschungsprojekten digitale Infrastruktur wird
[02:29] Michael Schidlack:
Ja, tatsächlich geht es schon sehr lange zurück in die Vergangenheit. Das Bundesministerium für Wirtschaft hat immer gesagt, dass wir in Deutschland eigene Systeme entwickeln müssen, die Weltmarktführerschaft in vielen Bereichen übernehmen. Und das hat auch in verschiedenen Bereichen gut funktioniert und wurde auch immer gefördert.
Aber dann kam 2019 auch erstmals die Idee, dass es eben auch wichtig ist, genau dieses Daten Ökosystem drumherum aufzubauen, zusätzlich zu den bisher erreichten Technologiesprüngen. Und zeitgleich oder ein bisschen später kam ja dann auch tatsächlich diese Idee des europäischen Ökosystems GAIA-X genannt. Und wir haben das beides verbunden und zunächst erstmal in einem ersten Projekt eine semantische Sprache entwickelt, das heißt sichergestellt, dass verschiedene Komponenten auch miteinander kommunizieren können.
Und dann diese Daten zusammenzufassen zu einem, ich sag mal, abgreifbaren Datenbündel für den Bereich Wohnen. Das war dann die Aufgabe des Folgeprojekts Foresight. Und wir haben das weitergeführt in einem dritten Projekt, in dem wir ganz konkrete Applikationen hinzugefügt haben, die bereits in diesem Ökosystem lauffähig sind.
Das sind dann insgesamt sieben verschiedene Anwendungen, die wir bereitgestellt haben.
[03:52] Bastian Elsner:
Da freue ich mich schon darauf, so ein bisschen näher in die Anwendungen reinzuschauen, was wir jetzt tatsächlich schon konkret zeigen können. Du hast es schon so ein bisschen durchblicken lassen in deinen Antworten. Eigentlich gibt es keinen besseren Zeitpunkt, als jetzt über diese digitalen Infrastrukturen zu sprechen.
Kannst du es vielleicht noch ein bisschen für uns erläutern, warum genau jetzt dieser Zeitpunkt ist?
Digitale Souveränität beginnt im Wohngebäude
[04:15] Michael Schidlack:
Weil wir sonst digitale Autonomie verlieren. Das hat sich ja gezeigt durch die geopolitische Gemengelage, dass es sehr schädlich sein kann für Europa, abhängig zu sein von Drittländern in diesen Fragen. Und darauf zahlt unser Projekt sehr stark ein.
Wir streben an, dass Europa eine autonome digitale Infrastruktur bekommt für das tägliche Leben und insbesondere eine digitale Infrastruktur für Wohngebäude.
[04:43] Bastian Elsner:
Ich bin ein totaler Fan von digitaler Souveränität. Das trage ich auch gerne nach außen. Wie du schon gesagt hast, das politische Gemengelage, das ist sehr sorgsam.
Und ich sehe, wir schlittern da in ganz vielen Bereichen in die Abhängigkeit rein. Auch in unserem Vorgespräch haben wir schon so ein bisschen vorgestellt, Gebäude sind viel mehr als nur reine Wohnräume. Es sind wirklich kritische Infrastruktur.
Du hast vorhin ein ganz total bildliches Beispiel gebracht. So ein Auto, ein Handy, das kann man einfach austauschen. Aber wirklich unseren Lebensraum, das Dach über dem Kopf, das geht nicht so schnell.
Und genau so muss man dann diese digitalen Infrastrukturen auch denken. Und sie müssen meiner Meinung nach ganz klar souverän aufgebaut werden. Und da zahlt ihr mit dem Projekt einen ganz großen Wert darauf mit ein.
Aber ich denke, wir müssen wirklich nochmal von den Basics irgendwie starten. Kannst du den Zuhörern mal erklären, was ein Datenraum ist? 
Was ein Datenraum wirklich ist (und was nicht)
[05:35] Michael Schidlack:
Gute Frage. Es wird oft missverstanden. Also wir wird oft gleichgesetzt mit irgendeiner Cloud, aber das ist es nicht. Es ist wesentlich mehr als das.
Ein Datenraum ist eigentlich auch nicht wirklich ein Raum, sondern es ist eher ein abstraktes Gebilde. Wir stellen uns vor, also ich fange mal anders an. Was wollen wir eigentlich erreichen?
Wir wollen erreichen, dass jemand, der Daten benötigt aus einem Wohngebäude, für welche Zwecke auch immer – das kann eine Privatperson sein, das kann die Wohnungswirtschaft sein, das kann aber auch ein anderer Hersteller sein – in der Regel daran scheitert, dass er schon mal gar nicht weiß, was in diesen Häusern eigentlich verbaut ist. Das lösen wir mit diesem Datenraum.
Wir schaffen einen einheitlichen Zugriffspunkt, einen virtuellen einheitlichen Zugriffspunkt auf alle Daten, die aus einem Haus heraus benötigt werden. Und das zeichnet diesen Datenraum aus.
[06:30] Bastian Elsner:
Man weiß, dass man diese Daten, die man braucht, dort auch findet. Wie kann ich mir das vorstellen? Ich habe ein Einfamilienhaus und da sind bestimmte Elektroinstallationskomponenten verbaut und die Daten sind dann ja in erster Stelle bei mir im Haus.
Das hört sich jetzt für mich so an, als ob die Daten irgendwo anders hinfließen. Verstehe ich das richtig oder bleiben die Daten eigentlich im Ursprungssystem drin?
[06:53] Michael Schidlack:
Sie bleiben im Ursprungssystem drin. Daran ändert sich gar nichts. Das assoziiert man ja nicht mit einem Datenraum, aber genau das haben wir sichergestellt.
Das war auch eine wichtige Vorgabe. Sie werden nur dann zur Verfügung gestellt, wenn eine berechtigte Abfrage stattfindet. Das ist zum Beispiel auch Bestandteil unseres Projektes.
Es wird Abgreifmechanismen geben, die sicher funktionieren und sicherstellen, dass nur die autorisierten Personen oder Systeme auf diese Daten zugreifen können. Und dann fließen die Daten für diesen Moment. Und beide Parteien, also sowohl die Datenanfragenden wie auch die Datengebenden oder -spendenden, können diesen Prozess jederzeit wieder stoppen.
[07:37] Bastian Elsner:
Okay, habe ich so verstanden. Aber das schafft bei mir jetzt noch mal wirklich Bewusstsein für die Semantik, wie wichtig die eigentlich ist. Das verstehe ich richtig, dass das auch die Grundlage im Prinzip für alles andere ist. Ohne die können wir eigentlich nicht weitermachen.
Semantik macht Gebäudedaten nutzbar
[07:52] Michael Schidlack:
Ja, das Problem besteht darin, einfach Datenabfragen aus dem System reicht nicht. Man muss natürlich auch wissen, in welchem Kontext diese ganzen Daten entstanden sind und aus welchen Sensoren sie stammen und was das für Sensoren sind, wo die verbaut sind, in welchem Raum konkret, ob im Treppenhaus oder im Fahrstuhl. Das sind Informationen, die nicht naturgemäß mitgeliefert werden.
Das heißt, diese Daten müssen ergänzt werden. Und dafür haben wir eine spezielle Semantik entwickelt, nennt sich SensWOT. Die ist so ausgestaltet, dass genau diese fehlenden Informationen dann mit übertragen werden.
[08:26] Bastian Elsner:
Das heißt, es geht auch wirklich um die Deutung der Daten, weil im schlimmsten Fall ist Temperatur bei dem einen Hersteller so und beim anderen Hersteller so. Und Ziel über die Semantik ist, aus Temperatur Temperatur zu machen.
[08:37] Michael Schidlack:
Ja, genau so kann man das erklären.
[08:40] Bastian Elsner:
Das ist natürlich eine Steilvorlage für KNX und allgemein offene Protokolle, offene Standards, die das eben im Prinzip schon in der Standardisierung mit drin haben. Knapp 550 Hersteller, da ist das Objekt Licht oder Temperatur oder wie man schaltet, das ist einfach festgelegt im Standard und das ist völlig egal, welchen Hersteller man hat. Wie kann ich das zusammenbringen, die beiden Themen?
Ist KNX da eine Grundlage? Oder ich denke auch an BACnet. Es gibt ja wirklich viele standardisierte offene Protokolle, die sich da schon vor vielen Jahren über die Semantik Gedanken gemacht haben.
[09:15] Michael Schidlack:
Ja, das ist richtig. Das Problem ist nur, dass für den Kunden das Dilemma entsteht, sich dann häufig für ein ganz bestimmtes System entscheiden zu müssen und am besten dann das ganze Haus nach diesem System aufzubauen. Aber das ist ja nicht die Realität.
Die Realität ist ja so, dass verschiedene Systeme gemischt werden. Denkt man nur alleine da dann zum Beispiel Situation Mietshaus. Ich wohne zur Miete.
Ich bringe meine eigenen Geräte mit ein, also typische klassische Smart Home Gadgets, aber auch durchaus sinnvoll, so wie Temperatursensorik. Und dann gibt es natürlich die ganzen Sensoren in der Gebäudehülle oder auch Aktoren, ich sage mal schlichte Bewegungsmelder im Flur oder die Heizungssteuerung im Keller, was weiß ich. Diese beiden Welten waren bisher gar nicht miteinander vernetzt und verbunden.
Aber es macht Sinn, diese beiden Welten miteinander zu verbinden, wenn man halt bestimmte Anwendungszwecke damit beabsichtigt. Und das ist das, was wir auch leisten können. Wir können Systeme miteinander sprechen lassen, die bisher nicht miteinander gesprochen haben, ohne dass jemand ins Haus gehen muss und das ist alles extra erstmal einbauen muss.
[10:19] Bastian Elsner:
Das heißt, die erste Challenge ist, wie du es auch schon beschrieben hast, ich würde es jetzt noch mal versuchen zu paraphrasieren, einen einheitlichen Datenzugriffsraum zu schaffen, ungeachtet welches Protokoll, welcher Hersteller, welches Gewerk dahinter steht.
[10:35] Michael Schidlack:
Ja, genau. Jetzt wird das auch klarer, denke ich. Natürlich gibt es diesen bisher nicht.
Es gibt keine Möglichkeit, ein Smart Home System des Herstellers Y mit einer in der Gebäudehülle verbauten Heizungsanlage oder mit einer in der Gebäudehülle verbauten KNX System so ohne weiteres zu kombinieren. Man kann das zwar theoretisch tun, aber dann würde man für jedes Gebäude eine ganz individuelle Konstruktion wählen. Was wir aber wollen ist, wir wollen, dass es universell funktioniert. Und zwar immer.
[11:06] Bastian Elsner:
So eine Art Plug and Play. Verstanden. Wir haben jetzt schon über spezifische Komponenten gesprochen.
Ein tolles Beispiel finde ich einfach die Sensorik. Wir denken über einen einfachen Bewegungsmelder nach, der stellt total wichtige Informationen für die Steuerung bereit. Ob das jetzt Präsenz ist für eine Heizungsregelung oder für die Lichtsteuerung.
Da habe ich natürlich die Automatisierungsbrille auf. Aber ich glaube, aus deiner Warte bedeutet so ein Bewegungssensor eigentlich noch viel mehr. Da würde ich dir gerne noch das Stichwort Software-definierte Sensoren mit auf den Weg geben.
Das fand ich total spannend, als du mir das einmal erläutert hast, was du darunter verstehst und was damit gemeint ist.
Wie KI aus Bewegungsmeldern Pflege-Services macht
[11:45] Michael Schidlack:
Ja, das ist in der Tat ein spannendes Thema und ich denke, hier kommt die KI ins Spiel. Für KI brauchen wir Daten, viele Daten, viele Sensoren, viele Daten, viel KI, für Künstliche Intelligenz. Aber was macht die KI eigentlich?
Die macht ja zum Beispiel, Stichwort, sie baut Software-definierte Sensoren. Sie baut künstliche Sensoren, die es gar nicht gibt. Es gibt zum Beispiel in den meisten Wohnungen keinen Sturzsensor.
Was aber sinnvoll ist, wenn ich die Wohnung für ältere Menschen vorbereiten will oder für gehandicapte Menschen. Die müssen ja gar nicht alt sein, Kinder reichen ja auch. Ich kann mit Software-definierten Sensoren solche Sensoren künstlich erschaffen, indem ich die Sensordaten aus verschiedenen Sensoren miteinander kombiniere und dann mit Erfahrungswerten kopple, die im Rahmen der Künstlichen Intelligenz trainiert sind und sagen, wie sieht ein typischer Sturz aus.
Zum Beispiel so: Ich gehe aus dem Schlafzimmer raus, der Bewegungsmelder spricht an, aber der Sensor im Flur spricht über Minuten nicht an, obwohl das der Weg ist, wo ich normalerweise als nächstes durchlaufe. Wenn die Software darauf trainiert ist, dass ein normaler Bewegungsablauf so aussieht, dass ich, wenn ich aus dem Schlafzimmer trete, normalerweise immer im Flur erscheine und der spricht nicht an, kann eine KI daraus einen Sturz simulieren. Weil das eben sehr wahrscheinlich ist.
So, das ist der Punkt.
[13:00] Bastian Elsner:
So funktionieren Software-definierte Sensoren. Verstanden, perfekt.
Und das kann man ja natürlich nur nutzbar machen, wenn diese Daten dann auch wirklich rausgehen. Und da haben die Daten nichts mehr mit der Gebäudeautomation zu tun, wo eigentlich die Hardware ja zuerst eingesetzt worden ist zum Zwecke. Und da finde ich es eben auch super spannend, den Gedanken, dass wir hier existierende Infrastruktur benutzen und uns da im Prinzip drüber legen.
Das heißt, wir schaffen hier nichts Neues, wo irgendwie nochmal investiert werden muss, wo nochmal ein neuer Material Einsatz ist, sondern wir zapfen uns oder wir legen uns im Prinzip auf die bestehende Infrastruktur drüber und schaffen daraus etwas Neues. 
[13:37] Michael Schidlack:
Ja, genau so kann man das erklären. Ich kann also mit sehr wenig Hardware-Einsatz sehr viel erreichen, eben mit diesem Software-definierten Ansatz. Und das ist nicht nur kosteneffizient, sondern auch gleichzeitig sehr einfach.
Darauf kommt es ja in Zukunft an, dass wir Installationen möglichst simpel und einfach gestalten und sensorarm oder ja, technikarm arbeiten. Das ist übrigens auch das Ziel vieler Architekten. Ich hatte neulich mit einer Architektin gesprochen, die hatte unser Projekt sehr kritisch beäugt und sagte also sowas, wir planen grundsätzlich technikarm oder möglichst sogar techniklos.
Da sage ich, herzlich willkommen, da sind Sie bei uns genau richtig.
[14:21] Bastian Elsner:
Ja, ja. Höre ich öfters.
Ich muss aber auch sagen, da sind die Kollegen von den Architekten leider immer relativ beratungsresistent, was solche Sachen angeht. Ich muss da, glaube ich, als Hardwarehersteller ein bisschen eine andere Meinung dazu haben. Genau, ich finde es auf jeden Fall extrem spannend, wie das miteinander zusammenhängt.
Du hast auch noch ein anderes Beispiel mal im Vorgespräch gebracht, das für mich wirklich ein Eye-Opener war. Da ging es auch um die softwaredefinierten Sensoren und du hast gesagt, stell mal vor, du sitzt einfach in einer Wohnung in einer dunklen Ecke. Könntest du dieses Beispiel nochmal machen, vielleicht in Bezug auf gerade den Pflegedienst, weil das war für mich wirklich so ein Eye-Opener.
[15:04] Michael Schidlack:
Ja, mit KI kann man heute sehr viel machen und man muss einfach sagen, KI wird falsch verstanden. KI ist eigentlich nichts anderes, also, ein Mensch lernt auch, ich trainiere einen Menschen, das sind Erfahrungswerte, die dann passieren. Angenommen, das war meine Geschichte, du hast die Aufgabe, deine 89-jährige Großmutter oder Mutter, ja, zu pflegen und du musst natürlich wissen, wie es ihr geht. Du musst wissen, was passiert in der Wohnung, macht sie ihre Abläufe noch regelmäßig, kocht sie, sind alle anderen Gänge regelmäßig, wann geht sie ins Bett, geht sie überhaupt ins Bett, ist sie vielleicht gestürzt und ähnliches.
Und das kann man als Mensch ganz einfach so machen, indem ich mich einfach in einen Nebenraum setze und einfach nur höre, zuhöre, kameralos, weil die Geräusche, die dann sind, die sind typische bestimmte Dinge. Also zum Beispiel das Türenschlagen, das Kochgeräusch, die Spülmaschine, die läuft, der Kühlschrank, der geöffnet wird, der Toilettengang. Und das reicht eigentlich aus, um, wir sagen das Peace of Mind, zwei Zeugen, sicherzustellen, dass alles in Ordnung ist.
Das kann natürlich eine KI genauso. Das heißt, diese ganzen Themen, die jetzt herumschwirren mit wahnsinnig aufwendigen Pflegesensoriken, die dann verbaut werden, auch von den Krankenkassen teilweise bezahlt werden, mit Notknopf und was ich was alles, kannst du ersetzen durch ein einzigen Sensor, das ist in diesem Fall das Mikrofon. Aber klingt für viele Menschen natürlich nicht besonders schön, diese Vorstellung, ich weiß, aber man muss auch einfach sagen, das sind ja technische Möglichkeiten, die genutzt werden können, aber nicht müssen, aber in bestimmten Notfällen einfach Sinn ergeben.
[16:47] Bastian Elsner:
Verstanden. Ich würde gern nochmal auf dieses Thema digitale Souveränität zurückkommen. Wir haben ja ganz oft dieses Thema, dass gute, super gute Ideen aus Europa heraus kommen und wir haben dann schlichtweg ein ganz großes Problem damit, diese Ideen zu skalieren, die nutzbar zu machen und dann am Ende des Tages auch damit Geld zu verdienen.
Das hängt für mich ganz stark mit der digitalen Souveränität hier in Europa zusammen, weil wir einfach nicht diese Hyperscaler haben, wie sie zum Beispiel in den USA vorhanden sind. Ich habe vorhin schon mal eine ähnliche Frage gestellt. Warum ist es denn genau jetzt wichtig, dass wir damit weitermachen?
Ich möchte da auch noch dieses Stichwort MP3-Effekt auf den Weg geben, weil auch da muss ich sagen, das war wieder eine Anekdote, die hat für mich auch die Dringlichkeit dargestellt, warum wir jetzt sprechen müssen.
Warum Europa jetzt handeln muss
[17:40] Michael Schidlack:
Ja, die Frage zu den Hyperscalern. Das erste Problem ist ja, was wir in Europa haben. Wir haben eine sehr fragmentierte Landschaft. Das ist auch gerade im Elektroinstallationsbereich so. Jedes Land ist ja fast anders ähnlich, zwar aber anders. Es gibt sehr viele mittelständische Hersteller. Das ist erst mal gut. Die sind ja flexibel, sind wendig, passen sich schnell an. Das sind ja erst mal Vorteile.
Länder wie zum Beispiel China oder die USA haben natürlich von Anfang an eine viel größere Skalierungsoberfläche. Ganz einfach deswegen, weil diese Unternehmen von Anfang an auf einer wesentlich größeren Landmasse arbeiten können, als wir in Europa. Wir sind sehr kleinteilig organisiert und deswegen ist es wichtig, diese digitalen Ökosysteme speziell auf die europäischen Bedürfnisse zuzuschneidern.
Das heißt, die Realität ist, wir müssen zu dem Punkt kommen, wo wir diese mittelständische Landschaft in große skalierungsfähige digitale Ökosysteme integrieren können, ohne dass die mittelständischen Unternehmen dominiert werden von einem schwergewichtigen globalen Player. Und das ist das, was wir mit unserem System leisten. Wir können gleichzeitig die bunte Vielfalt mittelständischer Betriebe erhalten und haben trotzdem für jeden, wer da möchte, eine skalierungsfähige Oberfläche.
[19:00] Bastian Elsner:
Da muss ich jetzt aber aus der Herstellerbrille wirklich eine Frage stellen. Es hört sich nach sehr viel Arbeit für die kleinen mittelständischen Unternehmen an. Verstehe ich das richtig?
Muss ich meine Geschäftsmodelle komplett umändern? Muss ich da dann im Prinzip alles anpassen, dass ich bei der Semantik mitmachen kann, dass ich in diese neuen digitalen Geschäftsmodelle reinkommen kann? Wie sind die Eintrittshürden?
[19:23] Michael Schidlack:
Die sind nach unserem Modell gering, weil wir diese Dinge, also ich sag mal, das Stichwort lautet Platform as a Service. Das sind Dinge, die muss der mittelständische Betrieb nicht selber leisten, sondern wir haben sogenannte Blueprints, die standardisiert sind, einen mittelständischen Betrieb auf diese Plattform zu hieven. Der Aufwand dafür ist gering und der mittelständische Betrieb kann sich spezieller Dienstleister bemächtigen, die genau das für ihn tun und den dauerhaften Betrieb auf der Plattform integrieren.
Wir haben die Kosten dafür noch nicht ganz genau ermittelt, aber wir sind dabei, aber sie sind auf jeden Fall sehr bezahlbar und angesichts des wirtschaftlichen Nutzens, der dahinter steht, der enorm ist, für jedermann und für jedes Unternehmen eigentlich zu vernachlässigen.
[20:12] Bastian Elsner:
Spannend, super spannend. Ich habe, glaube ich, gleich nochmal einen Vergleich, wo das nochmal ein bisschen bildlicher gezeigt wird. Kann man denn dieses Infrastrukturprojekt irgendwie auch mit dem Bau von Straßen und Brücken irgendwie gleichsetzen? Ist es das?
Digitalisierung wie Straßenbau denken
[20:29] Michael Schidlack:
Ja, guter Vergleich, ja. Den habe ich irgendwo schon mal gehört. Das geht nicht von jetzt auf gleich, obwohl unser System so organisiert ist oder angelegt ist, dass es relativ schnell skalieren kann, wenn man nur will.
Aber ich denke, realistischerweise sollten wir hier über einen Zeitraum von 20 Jahren denken, so ein Zyklus, bis die vollständige Digitalisierung der Wohngebäude abgeschlossen ist. Denn ich habe mal gelernt, dass nichts länger in einem Wohngebäude drinbleibt, als eine Elektroinstallation. Deswegen müssen wir ja auch Softwarebrücken bauen, dass Softwaremöglichkeiten finden, vorhandene Systeme zu integrieren.
Das haben wir ja gefunden. Das funktioniert ja tatsächlich, was wir jetzt ja auch mehrfach gezeigt haben. Aber hier ist ein langer Atem erforderlich und es muss aber auch irgendwann jetzt bald der erste Schritt getan werden, dass diese richtige Richtung geht.
[21:16] Bastian Elsner:
Und wie kriegen wir es hin, dass wir genau das hier in Europa machen und nicht, dass irgendjemand die tolle Idee nimmt und dann gibt es irgendwann eine Plattform, die wir mitbenutzen dürfen von irgendeinem Hyperscaler, der eben nicht aus Europa kommt. Was fehlt da noch? Was sind gerade die Hürden?
[21:30] Michael Schidlack:
Wir müssen halt schneller sein. Also tatsächlich sind wir ja mit dem System weltweit in Vorreiterrolle gegangen. Es gibt im Moment nichts Vergleichbares zurzeit. Jedenfalls nicht im Sinne eines Systems, was auch für den Mittelstand geeignet wäre. Das ist jetzt die Chance. Also jeder, der hier mitmachen will, ist herzlich willkommen.
Wir haben zurzeit etwa 80 Partner, die bei uns aktiv mitarbeiten. Ihr seid ja auch einer davon. Wir sind in der Lage im nächsten Jahr eine Go-To-Market Strategie fertig zu haben. Das heißt, dann ist das System marktfähig und lauffähig im Realbetrieb. Im Moment haben wir überwiegend Demonstratoren an dem Start, aber die Skalierung kann dann relativ schnell gehen.
[22:17] Bastian Elsner:
Du hast mir mal die Frage gestellt, weißt du eigentlich, warum sich Apple so arg gegen Nokia durchgesetzt hat. Es sind mir viele Gedanken in den Kopf gekommen, aber du hattest ein ganz eindrückliches Beispiel.
[22:30] Michael Schidlack:
Also das lag daran, dass die Hersteller damals die Entwicklung falsch eingeschätzt hatten. Die meisten Hersteller hatten im Kopf, dass Apple über ihr Ökosystem im Bereich digitale Musik angreift, weil das kannte man schon. Und das ist jetzt genau das Stichwort.
Das kannte man. Also man wusste, dass Apple ein sehr erfolgreicher, sehr erfolgreich digitale Ökosystem im Bereich Musik bereits implementiert hat. Das war halt dieser iPod, der so berühmt ist.
Den gibt es ja inzwischen gar nicht mehr. Und dann hat ein anderer Hersteller, ich will jetzt keinen Namen nennen, aber du hattest ja schon einige genannt, gesagt, okay, wenn wir das abfedern, dass wir dann auch Musik auf den Handys hinkriegen, dann ist alles gut, dann kann nichts passieren, weil wir haben ja das viel bessere Know-how, wir haben die bessere Antennen, wir haben jahrelange Erfahrung im Mobilfunkbereich und kleinere Geräte und was weiß ich, was alles. Wo keiner mit gerechnet hat, wirklich so gut wie keiner, dass hier eine Plattform entsteht oder ein digitales Ökosystem für sogenannte Apps, das war was völlig Neues.
Und das hat aus meiner Sicht nachher den ausschlaggebenden Punkt gegeben, dass ein Mobiltelefon plötzlich eine unzählige Anzahl von Anwendungen beherbergen konnte, während es früher nur eine vom Hersteller vordefinierte Anzahl von Anwendungen beherbergen konnte, die meistens auch noch sehr schlecht gemacht waren. Und das war der Punkt, der das Ganze ins Rollen gebracht hat. Wir machen hier tatsächlich, aber gut, dass du das nochmal fragst, genau das Gleiche.
Also es ist nichts anderes. Wir stellen jetzt plötzlich eine skalierungsfähige Oberfläche für Apps meinetwegen zur Verfügung und es ist theoretisch denkbar, dass jeder für seine Wohnung zukünftig dann, was ich, 10.000 Apps kriegt, für alle möglichen Zwecke, die wir heute noch gar nicht kennen. Das kann man auch noch gar nicht kennen.
Das hatte damals auch keiner gekannt und gewusst, was sich da entwickeln wird. Aber die technische Basis ist dann dafür da.
[24:22] Bastian Elsner:
Ja, super, super spannend. Ich muss natürlich wieder an den KNX-Bereich denken. Es ist natürlich auch ein ganz krasser Trend, den wir bei uns gerade haben.
Es wird immer mehr Funktionalität in die Produkte reingehauen. Da fragt man sich manchmal, ist KNX überhaupt noch ein Feldbus? Sind wir da überhaupt im Feld unterwegs oder haben wir mehr die Anforderungen, dass wir hier wirklich Building Management mäßig etwas steuern?
Und da geht eben sehr viel Information rein. Aber was eben fehlt, wie können wir diese Informationen weiterverarbeiten? Und da muss ich wieder an dieses App Store Beispiel denken.
Deswegen an der Stelle vielen Dank für den Vergleich. Ich finde, der passt einfach wunderbar und der sitzt. Ich muss jetzt nochmal auf die echten Gebäude eingehen, beziehungsweise ich habe auch immer so ein bisschen den Gebäudebetreiber irgendwo im Blick. Pflegedienste, das wird immer wichtiger. Gebäudebetrieb, dass der wirklich finanziell ist, dass der nachhaltig ist. CO2-Ausstoß pro Quadratmeter.
Das sind alles Themen, die basieren irgendwann auf Datenmodellen oder auf eben so einer digitalen Infrastruktur. Was sagst du, was ändert sich denn für Gebäudebetreiber und Planer konkret? Müssen die überhaupt was ändern, wenn sie über solche Themen nachdenken?
Was sich für Planer, Betreiber und Hersteller ändert
[25:35] Michael Schidlack:
Natürlich ändert sich am Ende ganz viel. Aber tatsächlich ändert sich am Anfang erst mal gar nichts, wenn man das möchte. Man kann auch sagen, man macht so weiter wie bisher.
Das heißt, wir haben überhaupt kein Problem damit, dass Gebäude, so wie sie jetzt gebaut werden, auch in Zukunft gebaut werden. Das ist sogar das erwünschte Ziel dieser ganzen Geschichte, dass die bewährte Technologie bleibt, aber was eben hinzutritt, additiv hinzutritt, nicht in Konkurrenz tritt, ist die skalierungsfähige Oberfläche der Daten. Dieser Datenraum kann dann genutzt werden von Applikationen, die völlig losgelöst von der im Gebäude verbauten Hardware arbeiten können.
Und das ist die eigentliche Innovation dahinter. Wenn ein Hersteller sagt, ich nutze das, ähnlich wie Apple seinen Appstore nutzt, um skalierungsfähige Applikationen zu fahren, dann ist das für jedermann von Vorteil. Ich kann aus einer bestehenden KNX-Installation auf einmal eine Wundertüte voller neuer Anwendungen zaubern, ohne dass sich irgendein Hersteller dazu irgendwie was ändern muss.
Die sind einfach plötzlich da, sage ich mal genauso, wie wir das kennen. Weiß man aber auch nicht. Da hat plötzlich jemand eine App-Idee, dann ist sie auf einmal da, dann wird die angenommen und die Hersteller Apple selbst muss eigentlich gar nichts dazu beisteuern.
So stelle ich mir das eigentlich vor. Und wir gewinnen dann und man stellt ja vor, das wird europaweit akzeptiert, was da für enorme Vorteile entstehen können. Wir haben alle möglichen Szenarien schon überlegt, was da für fantastische Dinge möglich sind.
Aber ein Beispiel, weil wir hier gerade im Autobereich sind, hier im MIO-Haus. Ich kann ja meine persönlichen Präferenzen mitnehmen. Ich steige in ein anderes Auto ein und das funktioniert dann genauso, wie das alte Lieblingssender.
Das kann ich ja auch machen in Wohnungen. Das klingt jetzt zwar erstmal, wozu braucht man das, so oft zieht man ja gar nicht um, aber denkt mal nur an ein Hotelzimmer. Wechselnde Hotelzimmer sind vielreisende. Die haben dann ihre persönlichen Präferenzen einfach immer parat, wo man sagen kann, okay, das braucht man vielleicht auch nicht unbedingt. Aber wo wir auch schon überlegen und wo man dann vielleicht doch sagt, so schlecht kann das ja gar nicht sein. Stell dir vor, du nimmst deine ganzen Services mit.
Also du hast ein Ökosystem aufgebaut von Reinigungsdiensten, von Handwerkern und was weiß ich. Und stell dir mal vor, es gibt ein Handover. Dieses ganze Ökosystem von Dienstleistungen, was du mühselig hast, bei einem Umzug mitzunehmen, ist auf einmal dabei, ne?
[28:00] Bastian Elsner:
Ja, ich muss gerade ans neue Handy denken. Du kaufst dir irgendwie eine neue Generation von iPhone oder wie auch immer. Du legst es nebendran, da findet eine Datenübertragung statt und du hast alles, wie du es davor auch schon eingestellt hast.
Oder Autobeispiel, du setzt dich ins Auto rein mit deinem Account, er kennt dich über deinen Schlüssel, über deinen digitalen Key und weiß direkt, wie der Sitz eingestellt sein sollte. Klar könnte man da jetzt vorwerfen, okay, das sind irgendwie, das ist noch ein bisschen gimmicky, aber wenn man das weiterdenkt, das ist total spannend und das ist eine wunderbare Zukunft, eine sehr attraktive und wünschenswerte Zukunft, würde ich behaupten.
[28:31] Michael Schidlack:
Ja, oder andersrum wird ein Schuh draus, mal angenommen, man hat das nicht eines Tages, wird es auf einmal ein Problem.
[28:36] Bastian Elsner:
Ja, gehe ich mit, gehe ich mit. Ich muss nochmal drauf zurückkommen auf das Thema, dass sich eigentlich für Hersteller nicht so viel ändert. Ich muss wieder aus der Warte von einem eher kleineren, mittelständischen Unternehmen sprechen.
Es ist schon, entschuldige die Wortwahl, aber es ist wirklich abartig, mit welchen Regulatorien man da manchmal zu kämpfen hat, mit einem relativ kleinen Team, da fragt man sich wirklich, was muss ich denn noch alles außen rum machen, um meine Produkte, dass ich irgendwie Geld verdienen kann. Das kann man im schlimmsten Fall gar nicht alles leisten, angefangen von Meldungen, aber da möchte ich jetzt gar nicht zu tief in das Thema abdringen. Mir geht es einfach nur darum, dass ich das extrem wichtig finde, dass man bei solchen Initiativen und solchen Projekten auch wirklich die Kapazitäten und was kann denn unser Mittelstand leisten, dass man ihm nicht zu viel abverlangt und da finde ich das extrem sympathisch und smart, wie ihr das gedacht habt, dass die Änderungsnötigkeit von der Industrie eben gar nicht so gegeben ist.
Das möchte ich da wirklich hervorheben an der Stelle, weil für mich ist es ein extrem wichtiger Punkt, dass das auch in die breite Fläche kommen kann.
[29:38] Michael Schidlack:
Ja, das war von Anfang an ein wichtiges Element unseres Projektdesigns, dass das so möglich ist. Also wie man auf chinesisch sagt, also auf schachdeutsch, das Retrofit-Gebäude, ja, das musste sichergestellt sein, weil neue Gebäude entstehen halt nicht so häufig und erst recht nicht in letzter Zeit, dummerweise.
[29:58] Bastian Elsner:
Deutschland ist gebaut, das ist ein Fakt.
[30:00] Michael Schidlack:
Ja, also wir müssen in die Bestand realistisch was liefern können. Also wir haben mit so vielen Stakeholdern gesprochen, könnt ihr es noch stundenlang erzählen. Aber allein zum Beispiel für die Wohnungswirtschaft ist das ja auch ein Thema, die in der Regel ja, wenn ich heute eine Wohnungsverwaltung verwalte, habe ich das im schlimmsten Fall mit 50 verschiedenen Installationen zu tun.
Keiner weiß Bescheid, nur der Hausmeister selbst, der zieht dann weg oder gibt auf. Dann weiß keiner mehr irgendwas. Das können wir alles verbessern, ordnen und so eine mittelständische Hausverwaltung hätte dann alle ihre Gebäude sozusagen hier auf so einem digitalen, ja wie im Cockpit, im Überblick.
[30:36] Bastian Elsner:
Spannend. Ich habe vorhin schon mal gesagt, dass Protokolle wie KNX oder allgemein offene Standards, die einfach standardisiert sind, schon eine Steilvorlage sind, weil wir da einfach schon die Daten mit einer entsprechenden Semantik rausbekommen und schon einen sehr großen Pool an Produkten haben. Es ist aber auch tatsächlich der Standard in Deutschland so, du hast es vorhin schon erwähnt, wir haben einen extremen Flickenteppich, auch an proprietären Systemen.
Ich könnte dir 20 von diesen Funkthermostaten nennen, die man einfach an den Heizkörper dran schrauben kann. Ich muss sagen, das ist eine super Lösung für den Nachrüstenmarkt. Man kann es ganz einfach machen und man hat direkt, ich meine, ich habe da was gelesen, ich hoffe, mich nagelt niemand auf die Zahlen fest, aber 10 bis 15 Prozent Einsparnis nur über die smarten Thermostate zum Nachrüsten.
Das ist natürlich klasse, aber du hast allein von diesen Thermostaten 20 Lösungen. Und bis wir das alles standardisiert haben, das stelle ich mir schwierig vor. Ist es da wichtig, dass die offenen Standards noch mehr in diese Richtung gehen und in die Semantik noch mehr reinpreschen oder ist es eher wichtig, dass wir die proprietären Protokolle unter einen Hut bekommen?
Da habe ich noch so einen kleinen Knoten oder vielleicht stelle ich mir das auch zu komplex vor. Vielleicht habt ihr das auch schon irgendwie gelöst.
Daten statt Protokolle: Wie wir Systeme verbinden
[31:48] Michael Schidlack:
Ich sage mal, das Protokoll würde ich mal sagen, interessiert uns ja erst mal nicht. Uns interessieren die Daten. Wie das jetzt übertragen wird, ist gar nicht mal so wichtig.
Hauptsache, die Daten stehen zur Verfügung. Natürlich muss dann irgendwie ein System dann in unseren Datenraum reingelangen. Das ist wichtig, aber an der Stelle entsteht ja nur die Frage, wie kommen die Daten dorthin?
Und ja, im Prinzip müssten wir, wäre es natürlich schön, wenn die Hersteller sich auf eine übergeordnete Semantik einigen. Wir haben ja einen Vorschlag vorgelegt mit Sense4T. Wenn das nicht der Fall sein sollte, was wir jetzt zur Zeit aktuell haben, kann man ja auch mit sogenannten Brückenadaptern arbeiten.
Also sag mal das Stichwort Datenkonzentrator, also ein Gerät, was man irgendwo im Haus installiert, was diese Daten, die sowieso irgendwo im Netz rumschwirren, zusammenkramt, sage ich mal, zusammensucht, unsere Semantik drüber stülpt, also die entsprechend verändert. Gebäudespezifisch und dann diesen, also den tatsächlichen, echten, physischen, zentralen Datenzugriffspunkt liefert.
[32:53] Bastian Elsner:
Sehe ich auch so. Und da ist auch meines Erachtens nach so ein bisschen das Thema. Die Daten sind lokal, haben wir vorhin auch gesagt.
Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, dass die Daten im Prinzip in erster Linie dort bleiben, wo sie auch erhoben werden. Und dann gibt es eben das Anfragende und das Liefersystem. Ich glaube, du hast vorhin ein anderes Wording benutzt, aber ich denke, unsere Zuhörer, die kommen das so auf jeden Fall zusammen.
Und wenn ich hier jetzt eben an KNX denke, das ist auch ein riesiger Vorteil, dass die Daten im Prinzip dort bleiben in dem Gebäude. Das wäre mir zum Beispiel als Nutzer auch wichtig, aber das ist im Prinzip, was dieses Projekt schwieriger macht. Auch das Beispiel Erschütterungssensoren von den Waschmaschinen, haben wir vorhin kurz darüber gesprochen.
Wem gehören dann eigentlich die Daten? Wenn ich mir eine Waschmaschine kaufe und da ist ein Erschütterungssensor drin, was ist deine Sicht auf die Dinge?
[33:44] Michael Schidlack:
Ja, dafür gibt es ja inzwischen auch eine Regulierung, der European Data Act. Diese Daten, also man sagt jetzt, gehören jemandem, aber in Wirklichkeit sind sie erst mal da. Das muss man sagen. Sie sind in der Maschine drin, die jemandem gehört. Die Maschine gehört dem Kunden. Gehören jetzt die Daten auch dem Kunden oder gehören sie dem Hersteller, weiß man nicht so genau.
Aber der European Data Act ist jetzt so ausgestaltet, dass wenn jemand die Daten von dem Gerät, Maschine, Steuereinheit, was auch immer, haben will, muss man nicht mal einen Grund nennen, soweit ich das weiß, dann muss der Hersteller dieses Gerätes diese Daten ausliefern. Das kann auch zum Beispiel die Wohnungswirtschaft sein, die zum Beispiel ein berechtigtes Interesse daran hat, die Heizungsdaten zu haben oder die Aufzugsdaten zum Beispiel aus den Aufzugssystemen, was auch immer sie damit machen wollen. Aber sobald diese Anfrage kommt, müssen sie das, muss der Hersteller liefern.
Und da gibt es im Moment ja keine technische Lösung für. Aber wir haben die. Das ist genau unser Thema. Diese technische Lösung wäre dann unser System, also was wir entwickeln.
[34:52] Bastian Elsner:
Wir haben jetzt schon über viele Use Cases gesprochen. Pflege, finde ich, ist eins der eindrucksvollsten. Wenn du so einen Blick in die Glaskugel werfen magst, was würdest du sagen, sind die ersten Geschäftsmodelle, die wir auf Basis von diesem Projekt sehen können, wirklich ganz konkrete Dinge?
Erste Geschäftsmodelle: Pflege, Energie, Wartung
[35:12] Michael Schidlack:
Die Geschäftsmodelle sind ja bereits entwickelt. Wir sehen im Moment erste Ansätze. Das sind unsere sogenannten Satellitenanwendungen, die wir haben, die von sich aus heraus in sich ein tragfähiges Geschäftsmodell damit aufbauen.
Können wir auch teilweise zurückgreifen auf Zahlen, die wir mal im Rahmen einer Marktforschung erhoben haben, wo wir Market Research betrieben haben. Wir waren ein externes Beratungsunternehmen. Die haben ganz klar gesagt, dass im Bereich Pflegeassistenz der größte Handlungsdruck besteht und der attraktivste Markt ist. Was mich ein bisschen überrascht hat. Ich hatte immer gedacht, das wäre das Thema Energie. Das war tatsächlich erst an zweiter Stelle.
Ich würde aber trotzdem sagen, dass das die beiden größten Assets sind, die wir haben. Das heißt, wie bekomme ich ein Gebäude energieeffizienter hin und wie bekomme ich das pflegesicher hin? Und dazu gehören auch Zutrittskontrollen bei Türen zum Beispiel und ähnliches.
Das hängt alles miteinander zusammen. Und dann gibt es diesen großen Anmeldungsbereich der Gebäudemaintenance, also der Gebäudewartung. Unsere Vision ist da das autonome Gebäude, das sich im Prinzip von selbst wartet, ähnlich wie heute eine Waschmaschine ja auch die allermeisten Fehlerdiagnosen selbst durchführen kann und dann einfach nur meldet.
Und dann haben wir natürlich den Bereich der klassischen Endanwendungen, die aber mehr auf dem Komfortbereich basierend sind. Das heißt, die Bequemlichkeit und das Luxusbedürfnis des Kunden erfüllen.
[36:45] Bastian Elsner:
Das sind vielleicht die Beispiele, die ich vorhin so ein bisschen als Gimmicks bezeichnet habe oder dass sich das vielleicht als Gimmicks anhört.
[36:53] Michael Schidlack:
Ja, aber ich meine, das ist auch ein wichtiger Faktor, weil da Endkunden bereit sind, wirklich Geld für auszugeben. Bei den anderen Anwendungen dann mehr über institutionelle Investoren reden, die dann leichter auf die Daten zugreifen können, weil sie damit einen erheblichen Effizienzgewinn sich versprechen.
[37:11] Bastian Elsner:
Ja, klar. Aber genau das Komfortthema, das kenne ich auch aus dem KNX-Bereich. Da machen wir auch regelmäßig diese Umfragen, also auch im Rahmen von KNX Deutschland und die KNX Association macht das Ganze auch global.
Und da hat man ganz lange gedacht, so einer der größten Vorteile von KNX ist, dass man eben ein Energiemanagement machen kann und dass man Energieeffizienz, dass das das Thema ist, was die Leute wollen. Stimmt gar nicht. Die Leute wollen Komfort haben und deswegen entscheiden sie sich dafür.
Und den Gedankensprung muss man auch erstmal hinkriegen. Und ich denke, da wird auch aus diesen, sag ich mal, Nice-to-have-Anwendungen, die vor allen Dingen auch die Early Adopter drauf gehen werden, das kann dann die Basis werden für weitere Geschäftsmodelle. Man muss irgendwo starten und vielleicht kriegt man die dann genau mit den Komforteinstellungen.
Ich glaube, bei KNX ist es nicht so viel anders gewesen.
[37:57] Michael Schidlack:
Ja, man muss natürlich auch die Natur unseres Forschungsprojektes, das ja auch vom öffentlichen Fördermittelgeber bezahlt wird, in dem Fall ist es das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Auge behalten. Und tatsächlich geht es denen ja nicht in erster Linie um persönlichen Komfort, sondern es geht ihnen wirklich darum, eine handfeste Verbesserung, die deutsche Infrastruktur zu schaffen. Die Komfortlösungen sind dann damit verknüpft, aber sind natürlich nicht Hauptförderzweck.
[38:25] Bastian Elsner:
Ein schöner Nebeneffekt, der eventuell zum Zugpferd werden kann. Ich könnte es mir vorstellen.
[38:29] Michael Schidlack:
Ja, klar. Also gehe ich auch fest von aus, weil sich dann plötzlich, wir wissen, wie das funktioniert bei dem iPhone, auf einmal Applikationen entwickeln, mit denen vorher keiner gerechnet hat. Ich sage immer nur, mein Lieblingsbeispiel ist immer das, die Geschäftsidee, die von allen gehassten E-Roller in Berlin abzukippen und allen zur Verfügung zu stellen, die kann sich ja nicht rechnen, wenn da nicht eine riesige Infrastruktur bereits schon vorhanden gewesen wäre.
Das heißt also Satelliten im All, Funktürme, jeder hat ein Handy. Ansonsten ginge das nicht. Also das heißt, es werden bestimmte Geschäftsmodelle überhaupt erst möglich, wenn wir die Infrastruktur dafür haben.
Und das ist genau das, wo wir von ausgehen, dass das auch passieren wird. Ich sage jetzt nicht, dass wir dann noch mehr E-Roller bekommen, sondern andere sinnvolle Dinge. Aber ja, wir bieten dafür die Basis, ja.
[39:17] Bastian Elsner:
Super, vielen Dank für den echt bildlichen Vergleich. Ich denke, das ist auch ein ganz toller Abschluss eigentlich schon. Wenn ich so einen Blick auf die Zeit werfe, dann sind wir schon am Ende von unserer Folge.
Deswegen, lieber Michael, ich möchte mich ganz herzlich bedanken für den Austausch heute. Es hat mir extrem viel Spaß gemacht. Auch die Tour hier durchs MIO-Haus, auch so schon die Fahrt hierher, unser gemeinsames Frühstück hat mir echt viel Spaß gemacht.
War ein total bereicherndes Gespräch und ich durfte wieder einiges lernen. Was mir ganz arg wichtig ist für unsere Zuhörer, wenn sie das nächste Mal über SmartLivingNEXT nachdenken und hoffentlich auch auf die Website vorbeischauen, was SmartLivingNEXT und der Michael Schiedlack denn genau machen. Ich möchte, dass ihr mitnehmt, es ist kein neues System.
Es soll auch kein neues Protokoll sein, sondern es ist ein Infrastrukturprojekt. Es geht also darum, dass Daten souverän, sicher und diskriminierungsfrei genutzt werden können und dass daraus vor allen Dingen hier in Europa bei uns neue Geschäftsmodelle entstehen können. Michael, vielen, vielen Dank, dass du heute mit dabei warst.
[40:24] Michael Schidlack:
Ja, ich danke auch herzlich, Bastian.
[40:26] Bastian Elsner:
Alle Infos zu SmartLivingNEXT findet ihr auch direkt auf der Website der Initiative. Die Links haue ich euch wie immer unten in die Shownotes rein. Das Transkript und alle bisherigen Episoden findet ihr auf der Website von Elsner Elektronik und wenn euch die heutige Folge gut gefallen hat, dann freue ich mich wie immer über Feedback.
Lasst mir gerne einen Kommentar auf Spotify da oder in der Podcast App, die ihr am liebsten benutzt. Teilt auch gerne die Folge mit den Kollegen, für die das Thema spannend sein könnte. Ich verabschiede mich bis dahin.
Das war "Menschen, Lebensräume und Technik". Mein Name ist Bastian Elsner. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge.
Autor: Elsner Elektronik Redaktionsteam | Stand: 09/2025